Materialkreisläufe gewinnen zunehmend an Bedeutung und werden nicht nur zu einem immer wichtigeren Aspekt der Gesellschaft, sondern auch der Gestaltung und Planung von Gebäuden. Der bisher stetige Abriss und Neubau wird durch die Wiederverwendung von Bauteilelementen, durch Recycling, Downcycling sowie Upcycling abgelöst, sodass auch eine Neuorganisation der Architektur gefordert ist. Benötigt werden Werkzeuge, die einen kalkulierbaren Austausch von Materialien ermöglichen und Erntequellen sichtbar machen.
Eine “Harvesting Map" oder übersetzt “Erntekarte" ist eine grafische Darstellung oder eine digitale Plattform, die es ermöglicht, wiederverwendbare Materialien zu lokalisieren, zu erfassen und zu nutzen. Sie fungiert als Instrument zur Beschaffung von Baumaterialien, indem Standorte markiert werden, an denen nicht mehr benötigte Materialien verfügbar sind. Bernhard Faiss bezeichnet die Harvest Map als eine „Erweiterung des Kreislaufes von Baumaterial anhand einer Datenbank von wieder verwendbarem Material.“1 Nach Faiss könnten über dieses Netzwerk Suchende und Gebende lokal und zeitlich optimal miteinander in Kontakt treten, um Abfallprodukte als Ausgangsmaterial für andere Zwecke verfügbar zu machen.2 Auch Superuse Studios bezeichnet das Suchen, Finden und Gewinnen wiederverwendbarer Baumaterialien als "harvesting" bzw. "Ernten". Die von ihnen entwickelte Plattform oogstkaart.nl dient als Marktplatz für wiederverwendbare Baumaterialien mit der Intention, dass sie auch von externen Architekten, Designern, Bauherren und Projektentwicklern genutzt wird.3 Die Harvesting Map kann als niederschwellige und transparente Datenbank von Baustoffen und Materialien betrachten werden und soll Planung und Bauen mit wiederverwendeten Bauteilen vereinfachen. Die Einteilung in Kategorien sowie auch Typologien gibt mehr Struktur und eine zielgerichtete Suche.
Die Harvesting Map zeichnet sich dadurch aus, dass sie Suchende und Gebende miteinander verbindet und somit Angebot und Nachfrage zusammenführt. Sie schafft einen Dialog zwischen Gebenden und Suchenden und zeigt das Potential des möglichen Netzwerkes auf. Durch die Harvesting Map entsteht eine andere Art der Kommunikation, die die Koordination des Netzwerkes ermöglicht und erleichtert.
Eine Initiative aus Wien sah in der Harvesting Map die Chance, zwei Phasen im Produktlebenszyklus zu verknüpfen, indem die entsprechenden Branchen miteinander vernetzt werden.4 Andrea Kessler, Mitbegründerin der österreichischen Harvest MAP (Material-Austausch-Plattform), erläuterte: "Wir Designer befinden uns am Anfang der Wertschöpfungskette. Normalerweise greifen wir auf Produkte aus dem Katalog zurück, um Designobjekte oder Häuser zu gestalten. Die Abfallwirtschaft markiert das Ende der Kette - es ist wichtig, diesen Kreislauf zu schließen."5
In diesem Sinne besteht die Kernidee der Harvesting Map darin, ein Werkzeug zu schaffen, das den Materialkreislauf sichtbar macht und den Austausch von Materialien erleichtert. Durch die Verbindung von Suchenden und Gebenden wird die Wiederverwendung von Materialien gefördert und nicht mehr benötigte Ressourcen finden eine neue Verwendung in der Gestaltung und Planung von Gebäuden.
1 direktes Zitat: http://www.isebuki.com/msg/201/main?pid=50
2 http://www.isebuki.com/msg/201/main?pid=50
3 https://www.superuse-studios.com/about-us/)
4 https://www.biorama.eu/harvest-map/
5 direktes Zitat: https://www.biorama.eu/harvest-map/